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Maraka* mit Aatifi

Martina Bauer: Du kommst ursprünglich aus Afghanistan, das im internationalen Kunstmarkt nicht gerade bedeutend ist und dessen zeitgenössische Kunst kaum bekannt ist ...

Aatifi: Im Kunstmarkt spielt Afghanistan sehr wohl eine Rolle, leider mit Raubkunst. Aber das liegt nicht in meiner Verantwortung. Zur zeitgenössischen Kunst leiste ich meinen Beitrag.

Deine skripturale Kunst basiert auf traditioneller Kalligrafie. Welche Rolle spielen die Buchstaben in deiner Malerei und Grafik?

Buchstaben sind für mich ein Teil total abstrakter Kunst zwischen den Menschen, Kunst für die Menschheit. Die Frage danach, welche Rolle sie für mich spielen und wie ich zur Kunst gekommen bin, da kann man auch einen Fisch fragen, wie er zum Wasser gekommen ist.

Mit sechs Jahren haben dich deine Eltern zu einem Meister der Kalligrafie geschickt, parallel zur Schule.

Dreimal in der Woche bin ich nachmittags dort hingegangen. Das war eine sehr große Schule mitten in Kandahar. Dieser Meister war sehr bekannt und sehr streng. Ich bin erst einmal zu den Anfängern gekommen. Nach zwei, drei Wochen bin ich mit Fortgeschrittenen in Berührung gekommen und in Diskussionen, über die Kalligrafie. Ich vertrat das Gegenteil von dem, woran sie glaubten. Ich war dafür, nicht so traditionell und technisch zu lernen.

Du hast also von Anfang an die Regeln in Frage gestellt?

Die Regeln stellen wir Künstler ständig in Frage. Regeln gibt es eigentlich nicht. Regeln werden von Menschen geschaffen. Und wir sind auch Menschen. Das bedeutet, das ändern wir. Was in meinem Bereich – in der Kunst – an Regeln existierte, das wollte ich selbst bestimmen.

Hast du zu diesem Zeitpunkt schon angefangen, Buchstaben zu verändern?

Ich habe Buchstaben verändert, ich habe meine Zeichnungen zerrissen, zur Erklärung, wie etwas anderes zu bewirken ist. Ich habe meine Mitschüler aufgefordert: „Kletter mal hoch in diesen Baum und guck mal runter auf diese zerlegten Formen am Boden, das ist eine andere Form der Kalligrafie – vergiss die Tradition“.

Das klingt nach einem distanzierten Verhältnis zur Tradition.

Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der abstrakte Kunst total zu Hause ist – mit einer Tradition von mehreren hundert Jahren.In ganz Afghanistan, rings um mich, war alles abstrakt. Alles, was die Frauen in Kandahar mit der Hand nähten, bestand aus geometrischen Formen, Farben, Farbkompositionen. Alle Teppiche waren abstrakt und die ganzen Muster um mich herum waren abstrakt – oder sagten mir etwas anderes, als normalerweise Leute hinein interpretierten. Diese Abstraktion war für mich viel wichtiger und schöner und interessanter als diese Tradition. Als Junge habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, was für mich gut ist oder schlecht. Ich habe mir einfach die Freiheit genommen zu machen, was ich wollte.

Kandahar war einst kulturelles und politisches Zentrum und die Hauptstadt von Afghanistan. Hattest du dort Zugang zur europäischen Kunst? Hast du dich mit westlichen Künstlern auseinandergesetzt?

In Kandahar, das zeigt die Geschichte, sind alle wichtigen intellektuellen Bewegungen Afghanistans – in Theater, Kino und Literatur – entstanden, mit großen Literaten und großer Poesie. Kandaharwar und ist bedeutendes politisches Zentrum. Dort haben wir über den Iran oder über Indien Literatur erhalten und dadurch bin ich in Berührung mit europäischer Kunst gewesen. Aber in Kandahar, das war mir klar, war mit der traditionellen, hoch entwickelten Miniaturmalerei und der traditionellen Kalligrafie für meine abstrakte Kalligrafie kein Freiraum. Kabul war ziemlich frei und hatte eine Kunstakademie. Deshalb bin ich mit 17 Jahren umgezogen.

Du bist 1995 nach Deutschland und wenige Jahre nach der Wiedervereinigung in den Osten gekommen. Wie war das damals?

Ich bin zufälligerweise in Dresden gelandet. Nach drei Wochen habe ich einen Musiker und Künstler aus Australien kennengelernt und wir haben uns angefreundet. Wenig später hat er mich in eine Kneipe mitgenommen und dort war Professor Siegfried Klotz mit anderen Professoren von der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) und wir haben ihn kennengelernt. Klotz hat meine Fotos gesehen und gesagt: „Ich lade dich ein in mein Atelier, es ist jeden Tag für dich offen, wenn du herkommen willst, ich nehme dich auf, Prüfung et cetera kannst du dir sparen, ich stehe jetzt hinter dir.“ Das war sehr schön.

Fotos?

Ja, ich habe Fotos gehabt von Malereien, von meinen früheren Arbeiten. Ich habe nichts gehabt, nur einen Rucksack, der war immer dabei. Alles war in meinem Rucksack drin: Stifte, Zeichenblock und Fotos. Und so konnte ich mich beweisen, das war mein Ausweis.

Du warst ein Jahr als Gaststudent an der Kunstakademie Dresden bei Professor Klotz. Wie war dein Kontakt zu Kommilitonen?

Ich habe sonst mit keinem Menschen Kontakt gehabt und kein Mensch hat mit mir Kontakt gehabt. Ich war in ihrer Mitte und fast wie ein Pinguin in der Wüste. Dieser besondere Status ermöglichte mir komplette Freiheit.

Zurück zur Entwicklung deiner skripturalen Kunst: Was machte und macht deine Art von Kalligrafie im Vergleich zu der der klassischen Kalligrafen aus?

Sie zeichneten sehr viel traditionelle, akademische Formen. Ich habe die Formen im Groben vom Text befreit, aber noch nicht komplett vom Inhalt, nur von der allgemeinen Darstellungsweise.

Was für Inhalte hast du benutzt?

Das waren poetische Texte.

Was hast du von der HfBK, von der deutschen Schule, mitgenommen?

Als Erstes und bis heute habe ich die Freiheit mitgenommen, dass man da hingeht und wieder weggeht und wenigstens der Bürgerkrieg nicht da ist.

Die Freiheit, die Kalligrafie zu verändern, hast du dir schon in Afghanistan genommen. Aber sie zu fragmentieren und radikal zu reduzieren, das hast du erst in Deutschland begonnen?

Das liegt daran, dass die ganze Welt zersplittert wird. Die ganze Welt ist geteilt, alles ist in Bewegung und dadurch, dass ich alles verlassen und total reduziert habe in meinem Leben, habe ich auch meine Kunst reduziert. Die Kalligrafie habe ich sehr weit weg auf ein anderes Terrain geführt. Ich habe diesen ästhetischen Formen die Ursprünglichkeit zurückgegeben, ohne Inhalt. Diese Ästhetik selbst muss das Thema sein, und diese kompositorische, abstrakte Verteilung, die die Menschen total offensiv berührt und die sie auf ihre Art und Weise interpretieren können. Der Ursprung ist drin, aber die Handschrift ist von mir und das ist schön.

Du bist fünf Jahre in Dresden gewesen ...

Das war allgemein bedeutsam, als Maler dort zu arbeiten und mit Grafik in Berührung zu kommen. Das war meine Entdeckung in Dresden, die Druckgrafik mit ihren sehr mysteriösen, unkontrollierten Techniken. Ich habe dort meine Plattenkunst entwickelt – heute betreibe ich das. Das ist eine sehr, sehr schöne Kunstform, die ich in Afghanistan nicht gekannt habe. In Dresden habe ich viele druckgrafische Techniken kennengelernt, darunter die Aquatinta-Reservage, das Ausspringverfahren, das sehr unkontrolliert und unberechenbar ist. Schon als Kind habe ich alles geliebt, was man nicht beherrschen kann und wo man ein Risiko eingeht – und das tue ich immer noch, das ist das Schönste. Heute ist die Grafik in meinem Werk genauso bedeutsam wie die Malerei, genauso wichtig.

In Dresden hast du sehr monochrom und in dunklen Farben gearbeitet. Hat sich ansatzweise die deutsche Schule in deinen Papierarbeiten widergespiegelt? In der traditionellen Druckgrafik sind ja eher die klassischen Farben Schwarz und Dunkelblau im Einsatz.

Bei mir hat das wohl eher mit der schwarzen Tinte zu tun, mit der ich in Afghanistan gearbeitet habe. Schwarze Tinte ist auch sehr reduziert auf eigene, grafische Formen, sie ist neutral. Schwarz-weiß, schwarz auf weißem Papier habe ich gearbeitet, mit den Formen, so wie ich sie gesehen habe – und die Druckgrafik entsprach genau dieser Aura. Deshalb habe ich das sehr gerne sofort aufgenommen. Noch etwas zur deutschen Schule und den Deutschen: Ich finde, Deutsche und Afghanen sind einander sehr ähnlich – als Menschen, in der Mentalität, im Geschmack. Sie sind sich so ähnlich, beide gehen sehr ,straight‘, haben sehr viel Geduld und ihren Stil. Sie sind gut, aber sie dürfen nicht beleidigt werden. Beleidigung, das geht gar nicht.

Von Sachsen aus bist du in den Westen gegangen ...

Ich habe immer weiter gearbeitet. Zurzeit lebe ich in Bielefeld, habe mein großes Atelier hier, in einer netten Stadt, nicht zu klein und nicht zu groß. Hier kann ich ganz ruhig arbeiten und habe noch sehr viele Sachen vor. Aber grundsätzlich kann ich morgen mit einem Rucksack nach Spanien auswandern und da neu anfangen. Ein geografischer Ort bedeutet nicht so viel.

Seit 2010 reist du wieder regelmäßig nach Afghanistan, nach Kabul. Mehr als 15 Jahre hattest du keine Möglichkeit dazu. Hast du deine alte Heimat vermisst?

Heimat existiert meist nur in der Erinnerung. Was bleibt, ist ein geografischer Ort, der sich in ständiger, natürlicher Wandlung befindet. Die beste Heimat ist somit die, die man in sich trägt.

Sprechen wir über etwas, das mit Heimat, Politik und Kunst gleichermaßen zu tun hat: Lapislazuli.

In Afghanistan herrscht seit 35 Jahren Krieg wegen der Bodenschätze: Öl, Gas, Edelsteine, Lithium und andere, viele Bodenschätze. Lapislazuli war für mich schon als Jugendlicher sehr, sehr interessant wegen dieser Farbe und ich habe mich immer geärgert, dass wegen dieser Bodenschätze in Afghanistan dieser Krieg herrscht und viele Menschen darunter leiden und dadurch ihr Leben verlieren. Eine so schöne Farbe, eine so schöne Natur und so viele Menschen, die dadurch umgebracht werden. Deshalb ist Lapislazuli für mich bis heute ein Symbol.

Schon Michelangelo hat Lapislazuli aus Afghanistan geschätzt und benutzt.

Aatifi (lacht ...): Afghanischer Lapislazuli ist ein sehr besonderer Stein. Er hat eine sehr komprimierte Farbe. Egal, wie sehr man ihn zerkleinert, es entsteht keine Transparenz. Das bedeutet, das ist eine sehr dichte Farbe, die seit Tausenden von Jahren ihre Kraft nicht verändert hat und immer gleich bleibt. Das ist Lapislazuli aus Afghanistan. In der Kunstgeschichte ist bekannt, dass Michelangelo Sehnsucht danach hatte und immer Schüler schickte, als er die Sixtinische Kapelle ausmalte. Er sagte: „Bring mir die blaue Farbe aus Lapislazuli“. Sie brachten sie und er schickte sie wieder weg mit den Worten: „Nein, nicht die, nur Lapislazuli aus Afghanistan.“ (lacht wieder ...). Diese Farbe hält sich sehr lange und bleibt sehr leuchtend. Diese Leuchtkraft verliert sich nicht, auch nicht unter Lichteinstrahlung.

Diese Farbe findet sich auch oft in deinen Bildern.

Blaue Farbe mag ich allgemein. In allen Abstufungen. Blaue Farbe mag ich wie das Universum. Wenn ich das betrachte, sehe ich darin eine unendliche Freiheit und eine große Ruhe.

Du malst selbst viel mit Pigmenten?

Ja, ich benutze immer Pigmente. Ich rühre sie an, um zu beeinflussen, wie der Charakter einer abstrakten Form aussehen soll. Ich war schon als Junge gewohnt, meine Flüssigkeiten für meine Darstellungen selbst herzustellen. Bis heute benutze ich selbst gemachte Pinsel, selbst beeinflusste Farbe. Diese standardisierten Farben und Pinsel, das liegt mir nicht. Auch als guter Kalligraf muss man seine Werkzeuge selbst herstellen. Nur für die Tintenherstellung gibt es besondere Menschen, die dieses Rezept haben, auch manche Kalligrafen haben es. Wie man dann im Atelier die Tusche weiter beeinflusst, dafür hat jeder ein Geheimnis in seinem Leben, wie wir alle.

Dein Geheimnis wollen wir jetzt nicht auflösen.

Wenn wir das auflösen, habe ich übermorgen ein anderes Geheimnis.

Wenn du malst, wie gehst du vor?

Wenn ich Keilrahmen auf den Boden lege und die Leinwand darauf spanne, sehe ich schon eine Szenerie, einen unglaublichen Zusammenstoß von natürlichen Elementen, fast wie ein Vulkan oder ein Universum. Das Universum fasziniert mich, weil es so natürlich ist, weil es mit allen Elementen in Bewegung ist. In der ganzen Welt, in unserem Leben, im Universum bleibt nichts stehen, alles ist in Bewegung.

Wie ist das Gefühl, vor einer leeren Leinwand zu stehen?

Im Atelier, wenn ich allein vor einer Leinwand stehe, ist das natürlich eine sehr große Aufgabe. Wenn man gegen eine weiße Leinwand antritt und sie beherrscht, ist das ein Weg für mich zu einer wahren Welt, die noch von nichts beeinflusst ist. Ichhabe nicht die Freiheit, ringsum etwas zu bewirken. Ich habe nur diese Leinwand und diesen Schritt nach vorne zu machen und klarzukommen. Das ist sehr schwierig. Ich weiß das. Die Malereiist für mich eine Antwort auf diese zerrissene, globale Gesellschaft, in der der Mensch keinen Halt mehr hat.

Gibt es neben Malerei auch andere Formen, das auszudrücken?

Für mich ist es nur die Malerei, die mich in dieser Zerrissenheit, in dieser Welt, in dieser Zeit sehr stark anzündet – ich meine die Situation in dieser Welt, dass der Mensch durch den Menschen leiden muss. In der Zeit, in der ich auch selbst lebe, wenigstens diese Leinwand zu beherrschen und etwas Gutes zu tun, womit ich mich identifiziere, darum geht es mir. In dieser Zeit geht keine andere Macht dazwischen, sondern ich gehe zur Leinwand und berühre sie.

Deine Formensprache ist reduziert, gänzlich von Inhalt befreit. Die Formen an sich sind aber sehr perfekt ...

... perfekt deshalb, weil ich das so male. Perfekt oder nicht perfekt, das gibt es in der Malerei nicht, das ist der Stil des Malers. Wenn Cézanne eine Landschaft zerlegt hat mit ein paar Strichen, in einer anderen Diagonale, Horizontale, das bedeutet nicht, dass das perfekt ist oder nicht. Perfekt gibt es nicht. Das ist seine Zerlegung und das ist meine Zerlegung. Das ist meine Weise.

Du zerlegst durch die Fragmentierung und baust Brüche in die Komposition ein, durch expressive Elemente, Tropfen und Spritzer ...

... nun, das soll eine lebendige Atmosphäre erzeugen. Die Kalligrafie war von der Tradition her zweidimensional und grafisch. Ich habe das in Malerei umgewandelt, in die Malerei integriert, mit Malerei verbunden, nicht nur mit Malerei, mit Tiefe und Raum, auch mit Dynamik. Das lebt, das soll leben. Jeder Strich soll unglaublich kraftvoll sein. Und mich interessiert die Mysteriösität, die eine Form ausmacht.

Du hast von Cézanne gesprochen. Gibt es andere Künstler, die du schätzt?

Alle guten Künstler!

Was macht einen guten Künstler aus?

Dass er sich nur auf seine Sache konzentriert und sich nicht von außen und vom Markt beeinflussen lässt.

Gibt es Menschen, die in deiner Kunst, in deinem künstlerischen Leben eine Rolle spielen?

Alle Menschen! Alle Menschen, die mich umgeben, spielen eine Rolle für mich. Gute und schlechte.

Hast du Lieblingsorte?

Aix-en-Provence ist einer meiner Lieblingsorte, weil mich das an Kandahar erinnert. Die Region hat Gebirge und ist trocken, es gibt sehr viel Sonne und Weingärten und sehr viel Licht, besonders das Abendlicht oder das frühe Morgenlicht, mit diesem Blau und Blau und Blau. Ich bin einfach ein Fan von Blau. Auch deshalb besuche ich die Provence fast regelmäßig.

Welche Rahmenbedingungen sind für dich als Künstler unbedingt wichtig? Was wären optimale Bedingungen?

Das Optimale kann noch kommen, aber das Schlimmste ist Bürgerkrieg, und das habe ich hinter mir.

Was für Pläne hast du für die Zukunft?

Arbeiten, arbeiten, existieren.

Was bedeutet die Einzelausstellung ,News from Afghanistan‘ im weltberühmten Pergamonmuseum für dich?

Das ist eine großartige Möglichkeit, in einem Zentrum in Deutschland meine Arbeiten zu zeigen, wo sich die gesamte islamische Kunstgeschichte versammelt, und das in Verbindung zu setzen mit meiner aktuellen Position. Die Formate meiner Malereien sind sehr groß und ungewöhnlich. Ich freue mich!

In der Ausstellung trifft die Moderne auf altes Kulturgut. Gleich zu Beginn, im Aufgangsbereich zum Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum Berlin, hängen große Malereien von dir in unmittelbarer Nachbarschaft zu historischen Schriftstelen der Sumerer.

Das ist eine sehr schöne Geschichte. Und im Mschatta-Saal stehen zwei großformatige Malereien in Magenta im Dialog mit einer Kalifenpalast-Fassade aus dem 8. Jahrhundert. Der Mschatta-Saal zeigt Geschichte, Architektur, handwerkliche Arbeit, das ist großartig. Für mich ist interessant, dass dieser Saal riesig ist, mit Oberlicht – und dagegen meine magentafarbenen Arbeiten zu stellen.

Wie reagiert das Publikum auf deine Bilder?

Mit starker Ablehnung genauso wie mit starkem Lob. Starke Ablehnung macht mich genauso wenig enttäuscht wie mich starkes Lob stolz macht. Aber in der Mitte ist ein Punkt, und den verfolge ich.

Du bist ein sehr guter Zeichner, hast immer auch gezeichnet, von Kindesbeinen an. Spielt das Figurative, das Gegenständliche eine Rolle in deinem heutigen Werk?

Wenn ich skripturale Formen, die abstrahierten Buchstaben zeichne oder male, sind meine Umwelt, die Natur, die Menschen für mich natürlich vorhanden, ich habe sie immer im Kopf. Ich zeichne immer. Meine ganzen Zeichnungen fließen in das Abstrakte hinein. Zeichnung ist einfach eine Vorspeise zu einer leckeren Mahlzeit.

Welche Projekte möchtest du noch realisieren, welche Ideen sind unverwirklicht?

Ideen und Projekte gibt es viele. In der Natur ist alles perfekt.Das Einzige, was ein bisschen korrigiert werden sollte, ist, dass ein Mensch 500 Jahre leben können sollte. Die Zeit hat man nicht ...

Ein normales Menschenleben reicht also nicht aus. Kannst du zum Abschluss noch einmal in zwei Sätzen sagen, was für dich die Malerei bedeutet?

Malerei bedeutet heute und morgen und übermorgen das Gleiche. Malerei bedeutet Atmen und Luft und Essen und Wasser trinken. Man lebt doch davon, man braucht das. Am besten kommst du morgen noch einmal mit einem Lächeln vorbei und wir sprechen darüber ...    

*Maraka bezeichnet auf Paschtu ein sehr persönliches Gespräch, einen freien Austausch; Paschtu ist eine der beiden Amtssprachen in Afghanistan, die zweite ist Dari.

 

Quelle: „Maraka mit Aatifi“: Interview der Journalistin Martina Bauer mit dem afghanisch-deutschen Künstler Aatifi, veröffentlicht im Katalog „Aatifi – News from Afghanistan“, der anlässlich der gleichnamigen Einzelausstellung Aatifis 2015 im Pergamonmuseum Berlin erschienen ist (Kerber Verlag, deutsch/englisch, 132 Seiten, zahlreiche Abbildungen (ISBN 978-3-7356-0114-8).